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Adorno Thumbnail (Mural of Theodor Adorno by Justus Becker and Oğuz Şen. Senckenberganlage, Frankfurt)

Eine dialektische Kritik an ChatGPT & Co.: Eine (un-)menschliche Prämisse und eine künstlich-intelligente Conclusio.

A-trains-a-coming und er trägt den Namen der künstlichen Intelligenz auf seinen Fahnen, die bei dem Tempo mächtig im Wind wehen. Egal in welchem Bereich man sich derzeit beruflich wiederfindet, Bildung, Industrie, Wissenschaft oder Dienstleistung, alle haben Angst von dem Zug aus dem ehemaligen Silicion Valley nicht mitgenommen zu werden. Schlimmer als das, fürchten die Menschen immer mehr, von dem künstlichen Intelligenz Zug überrollt zu werden und am Ende alleine am Bahnsteig der Arbeitslosigkeit zu stehen und nicht abgeholt zu werden. „Wird uns künstliche Intelligenz ersetzen?“ liest man immer häufiger in Zeitschriften, Youtube-Titeln oder mittelmäßig gelungen LinkedIn-Content-Beiträgen. Über dem allem schwebt die futuristische Frage: „Wieviel Mensch steckt in dieser verheißungsvollen künstliche Intelligenz?“
Dazu ist es hilfreich den Computer einmal auszuschalten (bzw. Alexa bitten dies zu tun) und kurz zu dem Bücherregal zu wandern, wo man Adorno und Horkheimer stehen hat (wenn vielleicht auch nur aus ästhetischen Gründen).
In der Dialektik der Aufklärung beschreiben die Autoren wie die Idee der Aufklärung und Rationalisierung der Welt zum Monster geworden ist, das sich gegen seine/n Erschaffer:in gewandt hat, um diese/n heimzusuchen. Die Idee von Adorno und Horkheimer war nicht ganz neu, schon Max Weber hatte sich intensiv damit auseinandergesetzt, wie die Rationalisierung und Kategorisierung der Welt zu einer Entzauberung, einer Enttäuschung, einer Ergrauung derselben führen. Horkheimer und Adorno sind noch einen Schritt weiter gegangen und haben das faschistische Element der Rationalisierung offen gelegt. Nicht ganz zufällig, da sie, als sie die Dialektik der Aufklärung verfassten, sich im Exil in Amerika befanden, geflüchtet, vom wütenden Terror der Nazis. Bei den Nazis konnten sie genau das beobachten, über was sie dann später ihr Werk verfassten: Der Faschismus der erbarmungslosen Rationalisierung einer Idee. Eine Form wurde geschaffen und alles ab und neben der Form wurde abgesägt, verstümmelt und ermordet. Meinungen und Menschen gleichermaßen.
Dies lässt uns nun zur Frage kommen, ist die Aufklärung, der Durchmarsch des Logischen, die Rationalisierung über Alles, eine Repräsentation von etwas tief Menschlichem? Wenn wir das was wir Tag-für-Tag machen, mechanisch geordnete kulturelle und wirtschaftliche Prozesse ausführen, als das Mensch-sein-an-sich auffassen, dann ja, dann ist künstliche Intelligenz intelligent und kann uns ersetzen. Künstliche Intelligenz kann besser Datenbanken auswerten, mit Zahlen arbeiten, stellt keine Ansprüche und wird sich wohl nicht zum Streik für bessere Arbeitsbedingungen zusammenschließen.
Verstehen wir das Mensch-Sein-an-sich als eine Nicht-Darstellbarkeit durch symbolische und kulturelle Ordnungen, als etwas das wir etwa in Resonanzbeziehungen spüren, sodann haben wir eine andere Prämisse und kommen zu einer ganz anderen Conclusio. Ist die Prämisse, dass wir die oftmals stumpfe kulturelle Wirklichkeit als Mensch-sein-an-sich verstehen, dann ja, dann ist die Conclusio richtig, dass uns künstliche Intelligenz ersetzen kann. Sehen wir aber genau diese tiefergehenden Resonanzbeziehungen, das alles durchziehende Scheitern und das Unvermögen das Umfassende auszudrücken aber zu Spüren als etwas tief Menschliches, sodann haben wir eine ganz andere Prämisse und kommen zu einer ganz anderen Conclusio, nämlich dass eine symbolische Entität genau diese, zwischen den Verbindungen lebende, menschliche Form nicht ersetzen kann.
„Nun sag‘, wie hast du’s mit der Religion?“ stellte Gretchen die Frage an Faust und antwortete zugleich: „Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub‘, du hältst nicht viel davon.“ Drehen wir das Zitat auf das hier vorliegende Thema der künstlichen Intelligenz so können wir uns gut vorstellen, dass Gretchen heute die Frage wohl eher folgendermaßen stellen würde: „Nun sag‘, wie hast du’s mit der künstlichen Intelligenz?“ und würde wohl gleich antworteten: „Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub‘, du hältst nicht viel davon.“

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